Gehabt Euch wohl!
Yesterday – Kommunikation von gestern (Folge 12)
Seid gegrüßt, edle Recken! Oder wie man heute sagen würde: „Bruder, was geht?“
Seit Jahrhunderten befinden sich Sprache und Kultur im Wandel und spiegeln den Zeitgeist der Epochen wieder. Das Mittelalter, das bis vor 500 Jahren den europäischen Kontinent dominierte, war in Stil und sprachlichem Wiedererkennungswert herausragend. Die Neuzeit, wie unsere verwirrende Gegenwart genannt wird, setzt in der Kommunikation ebenfalls Maßstäbe. Switchen wir doch einmal durch die Zeit zwischen den Tafelrunden, die man heute Zoom-Meeting nennt:
Der feine Herr residiert nicht mehr in einem Kastell, sondern im großstädtischen Loft mit eigenem Bootssteg oder im prestigeträchtigen Anwesen am Fuße der Blue Ridge Mountains in Virginia, das man für schlappe 27 Millionen Goldtaler erwarb. Damit sich das lohnt, bewohnt er es tatsächlich drei Wochen im Jahr, bevor er wieder auf Geschäftsreise geht, um sich seine Ländereien anzuschauen. Dies natürlich stets unter der Begleitung seiner Follower, die man früher Entourage nannte.
Damals zogen solche Ritter hoch zu Ross in die Schlacht, heute fahren sie ein SUV, mit dem sie zwar deutlich mehr PS, aber nicht wirklich mehr Grips unter der Haube besitzen. Also auf in den Kampf! Ach nee, „challenge accepted!“
Ihre Burgfräulein sind It-Girls, die sich mit der Anpreisung modischer Kleidung aus nachhaltig wirtschaftenden Baumwollfeldern in der Lüneburger Heide eine goldene Nase verdienen, um sich den Zinken anschließend wie Cleopatra richten zu lassen. Aber das war ein anderes Zeitalter.
Speis und Trank gibt es nicht mehr als fürstliches Gelage, sondern von Lieferando – es sei denn, der Freundeskreis hat zum Grillen im Schlosspark, pardon, in der heimischen Gartenoase mit selbstbetoniertem Steinofen eingeladen. Im Mittelalter gab es zum Einstieg einen Humpen Met, heute wird ein Gläschen Aperol Spritz mit Strohhalm serviert.
Die Unterhaltung kommt aus dem Bildschirm: Nachdem der Anchorman die Nachrichten verkündet hat, die einst der Herold in wohlfeilen Worten auf dem Marktplatz unters Volk brachte, tritt bei Prinz Silbereisen die Garde der Minnesänger an, die sich heute Schlagerbarden nennen. Ein Hofnarr ist auch dabei, der als Comedian am Ende seines Auftritts nicht mit faulen Eiern, sondern mit Glitzerregen beworfen wird.
Na, dann ist ja alles in Butter. Gehabt Euch wohl!