Alles auf eine Karte

Yesterday – Kommunikation von gestern (Folge 6)

Foto: Martin Gehr

„Die zweite rechts, hab ich gesagt! Jetzt biste falsch abgefahren.“

„Ich! Ich! Wer hat denn die Karte in der Hand?!“

„Die ist von 1978. Da war die Autobahn noch nicht mal eingezeichnet.“

„Immer dasselbe. Wenn du sagen sollst, wo’s langgeht, landet man in Neukirchen-Vluyn statt an der Nordsee!“

„Dann such dir doch eine, die’s besser macht!“

Daraufhin erfand jemand das Navigationssystem.

Straßenkarten waren über Jahrzehnte das Mittel, um mit einem motorisierten Gefährt sicher von A nach B zu gelangen – und bei C einen Zwischenstopp einzulegen. „Ich brauch ma‘ eben frische Luft!“

Sie gehörten so selbstverständlich zur Autoausstattung wie Kekskrümel auf der Fußmatte. Ein Stadtplan lag in jedem Handschuhfach, der „ADAC-Autoatlas“ gilbte auf der Hutablage des VW Passat vor sich hin. Wer seine Bucket List abarbeiten wollte, kam an der Freizeitkarte nicht vorbei, die schnurstracks die Karl-May-Festpsiele in Elspe anvisierte.

Im Sektor der Kartographie konnte sich zudem der Falk-Verlag als Marke etablieren: Um die Konflikte zwischenmenschlicher Kommunikation zu reduzieren, erlaubt die „Falkfaltung“, den Plan in Abschnitte aufzuklappen statt mit der Karte das gesamte Armaturenbrett, die Windschutzscheibe und die Sicht des Fahrers zu bedecken.

Wer A6, F3 und Q9 für Treffer beim „Schiffe versenken“ hält, war nicht dabei. Die Herausforderung, im besagten Quadranten die Straße zu finden, die zum Campingplatz führte, oder die Sehenswürdigkeit im Zentrum der Großstadt zu finden, kombinierte Frust mit Siegeswillen. „Gleich hab ich’s.“

Damit kämpften schon die großen Abenteurer, denen Land- und Seekarten über Jahrhunderte den Weg wiesen, um neue Erdteile zu entdecken – oder zumindest die nächste Werkstatt, die in der Lage war, den Radbruch an der Pferdekutsche zu beheben.

Die ersten Straßenkarten sollen um das Jahr 1910 – wen wundert’s – die Reifenhersteller Edouard und André Michelin aus Frankreich herausgebracht haben. Schließlich war das Automobil (und damit die Notwendigkeit verkehrsgerechter Straßen) erst 16 Jahre zuvor in Serie gegangen.

Schon im 6. Jahrhundert v. Chr. wusste der chinesische Philosoph Lao-Tse: „Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“ Damals gab’s allerdings noch keine Großbaustellen, Umleitungen und die permanente Verwechslung von Norden und Süden:

„Du hast die Karte falschrum gehalten, du Honk!“ – „Hatte mich schon gewundert, warum die hier in Bayern Schwedisch sprechen.“

Angesichts dieses Versagens bleibt heutzutage auch dem modernsten Navigationssystem nichts anderes übrig, als die gefürchtete Phrase über den Lautsprecher zu schicken: „Wenn möglich, bitte wenden.“