„I’m a Barbie Girl!“

Yesterday – Kommunikation von gestern (Folge 4)

Foto: Martin Gehr

Es lag leicht in der Hand und war nur zehn Zentimeter hoch. Es besaß kein Retina-Display aus „Gorilla Glass“, keinen Gyroskop-Sensor, dafür aber eine Kamera mit wahnsinnigen 1,3 Megapixel. Trotzdem war dieses Telefon ein Schatz, der vor 20 Jahren für das mobile Leben vollkommen ausreichte: das Nokia 6230i.

Es kam im Jahr 2005 auf den Markt, als der Mobilfunkstandard noch 2G hieß und polyphone Klingeltöne der Renner waren, für die im Fernsehen und in Zeitschriften penetrant Werbung gemacht wurde. Sie reichten von Hits wie „Barbie Girl“ der skandinavischen Band „Aqua“ über „I’m blue, Da-Ba-Dee-Da-Ba-Dei“ von „Eiffel 65“ bis zu singenden Küken und durchgeknallten Fröschen, die sogar in offiziellen Klingeltoncharts auftauchten und mehrere Millionen Umsatz generierten. Peinlich? Nöööö.

Das Gerät von Nokia, das manche mithilfe einer Handytasche am Hosengürtel befestigten, deckte vor allem die Grundfunktionen ab: Man konnte telefonieren und SMS schreiben. Im Grunde war das alles, was man seinerzeit brauchte.

Okay, der Nutzer konnte auch kleine Fotos machen (inkl. Videofunktion) und theoretisch ins Internet gehen – bei einer Bildschirmdiagonale von vier Zentimetern und dem damals kaum vorhandenen responsiven Design von Websites war dies allerdings eine Herausforderung, die viel Geduld erforderte und außerdem teuer werden konnte, weil Surfen direkt über den Provider und ohne Flatrate lief.

Das Telefon besaß noch Tasten, keinen Touchscreen – was bei der Größe des Displays auch kein Wunder war, denn mit einem Fingerdruck hätte man den halben Bildschirm erfasst. Für Textnachrichten musste man die Buchstaben daher durch mehrfaches Drücken der Zifferntasten auswählen. Damals gab es sogar Wettbewerbe, wer am schnellsten eine SMS schreiben konnte – was sogar zu einer Wette in der Samstagabendshow „Wetten, dass?“ im ZDF führte.

Um diesen Vorgang ein wenig komfortabler zu gestalten, gab es im SMS-Menü einen Ordner mit Textvorlagen, darunter „Ich liebe dich“ und „Ich liebe dich auch“. Na super, das musste ja eine große Liebe sein, wenn man sich nicht einmal mehr für diese Zeilen Zeit nehmen musste.

Als Zugabe enthielt das Handy die Vorläufer einiger Apps, darunter drei Spiele mit einer Gesamtgröße von 600 KB, die das Ambiente alter Automatenspiele aus den 80ern hatten: Zur Wahl standen Autorennen, Golf und Backgammon. Darüber hinaus konnte man Sprachaufzeichnungen machen und ein UKW-Radio einschalten. Kennt das noch jemand?

Verrückterweise ist das Gerät – wahrscheinlich aus Retro-Gründen – mittlerweile wieder erhältlich. Einen Beitrag bei Instagram kann man damit jedoch nicht posten. Aber wer braucht das schon?