Erzähl mir was!
Yesterday – Kommunikation von gestern (Folge 9)
Hoch über der Stadt befand sich auf einer Säule das Standbild des glücklichen Prinzen.
Geschichten haben mich schon immer interessiert. Aber auch diejenigen, die sie erzählen. „Erzähl mir was“ war der Titel einer Hörbuchreihe aus dem Marshall Verlag. Sie war in den 80er Jahren sehr beliebt und erschien alle zwei Wochen. Bekannte Sprecher wie Hans Paetsch, Maria Schell und Thomas Fritsch erweckten darin Klassiker und neue Erzählungen zum Leben.
„Erzähl mir was“ hat meine Kindheit geprägt und meine Liebe zu Geschichten verstärkt. Für mich war es ein magisches Erlebnis, in literarische Hörwelten einzutauchen und dabei im illustrierten Heft, das den Kassetten beilag, mitzulesen. Durch die Reihe bin ich zum ersten Mal dem „Zauberer von Oz“ und „Wilhelm Tell“ begegnet.
Heute würde man von „pädagogisch wertvoll“ sprechen, für mich war es ein Abenteuer. Neben Klassikern wie „Pinocchio“ und „Gullivers Reisen“ gab es skurrile Episoden wie „Wurzelzweig“, der mit seiner Großmutter in einem Baum lebte, aber auch biblische Geschichten wie „David und Goliath“.
Mehr als 30 Jahre später empfinde ich es als erstaunlich, welche Werke ich damals schon durch „Erzähl mir was“ kennen lernte. Eine Geschichte, die mich besonders berührte, war das Märchen „Der glückliche Prinz“.
Entgegen seines Titels ist es von trauriger Natur: Es geht um eine goldene Statue, die von allen bewundert wird, ihrem erstarrten Schicksal jedoch völlig ausgeliefert ist. Sie blickt von ihrem Platz auf das Elend der Stadt, ohne etwas dagegen tun zu können – bis sie sich mit einer Schwalbe verbündet, um sich für die Bewohner Stück für Stück aufzuopfern. Wie ich erst durch die Recherche zu diesem Beitrag erfuhr, stammt die Geschichte von Oscar Wilde.
Du hast eine weise Wahl getroffen. In meinem Garten Eden wird dieser Vogel für ewig singen. Und der Prinz wird in meiner goldenen Stadt für immer glücklich sein.